Von Friends lernen
„I’ll be there for you...“ mehr ist gar nicht notwendig, und sofort haben viele von Ihnen einen Ohrwurm. Vielleicht haben Sie sogar mehr als das: Starke Gefühle, die Sie mit einer TV-Serie aus den 90er Jahren verbinden. Eine Serie über Freundschaft, Liebe, Erwachsenwerden – die großen Themen, die großen Fragen. Die Serie lebt von der Vertrautheit, die Zuschauer*innen mit den Charakteren verbindet. Aber ebenso von den Wendungen, den großen und kleinen Überraschungen, der Situationskomik. Trotz Anrufbeantworter-Jokes, Klamotten in Überlänge und Thomas Magnum (aka Tom Selleck) als Monicas Liebhaber, bleibt die Serie erstaunlich aktuell. Vielleicht, weil gerade der nächste 90er-Jahre-Trendzug samt H&M-Merchandising angehalten hat. Vielleicht aber auch, weil die Serie universelle Bedürfnisse bedient, die Generationen verbinden.
Wir möchten einen neuen Blick auf die Serie wagen: Was können Führungskräfte (und solche, die es werden wollen) von Friends lernen – auch ohne mit ihren Kolleg*innen befreundet sein zu müssen?
Die Kraft des One-Liners
Die Kunst des schlagzeiligen und -kräftigen One-Liners lässt sich wohl am besten beim selbstironischen Chandler Bing abschauen: „Hi, I’m Chandler, I make jokes when I feel uncomfortable.” In einem Satz bringt er verschiedene Aspekte seiner Persönlichkeit zum Ausdruck. Chandler zeigt: „Hey, mir ist das gerade unangenehm, und das ist meine Art, damit umzugehen.“ Das besonders Schöne dabei: Er zeigt mit diesem erinnerungswürdigen Satz, dass er Humor (und Selbstironie) besitzt, ohne einfach zu sagen: „Hey, ich bin witzig – glaub mir!“ (das wäre der Trump-Style).
Ebenso sollten Führungskräfte – mit dem richtigen Timing – Botschaften senden, die hängenbleiben und motivieren. Egal, ob zum Abschluss eines Meetings, eines Workshops oder einer Präsentation: Überlegen Sie sich stets einen prägnanten und erinnerungswürdigen Satz, der das Potential birgt, Menschen zum Nachdenken und Handeln zu inspirieren.
Überkommunikation
„How you doin?“ Jeder Friends-Fan weiß, von wem dieser Satz stammt. Es ist ein Running Gag, der etwas über den Charakter und seine persönliche Geschichte verrät. Als Führungskraft sind Sie ein*e wichtige*r Markenbotschafter*in: Sie gestalten durch Kommunikation die Kultur und damit die Zukunft Ihres Unternehmens. Als Führungskraft müssen Sie ein Gefühl ausblenden können: Das Gefühl, sich selbst zu langweilen, weil Sie dasselbe auf die immer gleiche Weise sagen. Es wird einige Kolleg*innen geben, die solche Botschaften und Geschichten häufig von Ihnen hören, doch auch sie werden diese Botschaften in ihren Sprachgebrauch übernehmen und an ihre jeweiligen Kontaktpersonen inner- und außerhalb des Unternehmens weitergeben.
Dabei sollte Ihnen bewusst sein, dass Sie trotz Ihrer Funktion als Führungskraft nur wenige direkte (regelmäßige) Kontakte haben. Damit sich Ihre Botschaften verbreiten können, müssen diese deshalb häufig wiederholt und ebenso von Ihren Vertrauenspersonen übernommen werden. Überkommunikation erscheint langweilig, ist aber einer Ihrer Kernaufgaben.
Schwächen werden akzeptiert, solang Du Dich kümmerst
Joey ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, Phoebe ist eigenwillig, Ross ist nervig, Chandler verunsichert, Monica unangenehm kompetitiv, Rachel hyper-sensibel. Doch neben diesen charakterlichen Schwächen haben die Friends eine ganz besondere Stärke: Taking care of each other. Leider gibt es keine adäquate Übersetzung von „...as long as you truly care“, in der die gesamte Tragweite der Aussage zum Ausdruck gebracht werden kann. Für Sie als Führungskräfte sollte das Wohlergehen Ihrer Mitarbeitenden an erster Stelle stehen.
Die offene Tür wird oft erwähnt – Führungskräfte sollten jedoch nicht darauf warten, bis Kolleg*innen auf sie zukommen. Im Gegenteil: Auch hier gilt es, Führungsstärke zu beweisen, offensiv auf andere zuzugehen sowie aktiv zuzuhören. „Taking care“ bedeutet jedoch nicht nur da zu sein und zuzuhören, sondern auch: zu handeln. Genau wie Ross es tat, als er von Phoebe hörte, dass sie als Kind nie ein Fahrrad besessen hatte: Er überraschte sie mit einem Fahrrad, ihrem ersten Fahrrad.
Werden Sie Traum-Enabler
Bei niemandem werden die (beruflichen) Träume so deutlich sichtbar wie bei Joey, dem erfolglosen Schauspieler, der trotz der vielen Rückschläge an sich glaubt. Es sind aber auch seine Freunde, die ihn bei der Erreichung seiner Ziele unterstützen.
Als Rachel in der ersten Folge zu den Friends stößt, ist sie eine ichbezogene Materialistin, die den Traum ihrer Eltern verfolgt, ohne sich selbst zu kennen. Den Friends ist sofort klar, dass sich etwas ändern muss und zerstören die Kreditkarten, die von Rachels Vater bezahlt wurden. Damit schenkten sie ihr Unabhängigkeit und das Gefühl, ihr Leben alleine bewältigen zu können. Doch wie wir wissen, war Rachel nie alleine.
Gute Führungskräfte unterstützen ihre Mitarbeitenden bei der Erfüllung von Träumen.
Sehr gute Führungskräfte unterstützen ihre Mitarbeitenden dabei, ihre Träume und sich selbst zu finden.
Sprich aus, was Dich bewegt
Das Leben der Friends ist keine reine Success-Story – sie kämpfen genauso mit Rückschlägen und den Irrungen des Lebens, wie jeder von uns. Doch gemeinsam schaffen sie es, diese zu überwinden, indem sie offen über ihre Misserfolge sprechen und so voneinander lernen.
Wer als Führungskraft nur auf Highlight-Kommunikation setzt, arbeitet wider der Transparenz und einer positiven Fehlerkultur. Stehen Sie auch zu Ihren Misserfolgen wie Ross, der offen zugibt: „Pheebs, I don’t know what I am talking about. I’ve been divorced three times.”
Die Dynamik von Unlikely Friends
Wenn die Familien-süchtige Monica den bindungsgestörten Chandler heiratet oder der verspielte Joey mit dem nüchternen Wissenschaftler Ross behaglich umschlungen auf der Couch einschlummert, dann erkennen wir, was passiert, wenn Unlikely Friends zusammenkommen. Ohne Zuschauer kann kein Zauberer Magie entstehen lassen. Ohne andere Menschen gibt es keine Dynamik. Dynamik entsteht durch das Zusammenspiel von Charakteren. Und diese Dynamik entwickelt sich bei Friends ganz unterschiedlich, weil es darauf ankommt, wer mit wem interagiert. Denn das Verhalten von Menschen ist (wissenschaftlich belegt) viel stärker vom Kontext als von Persönlichkeitsvariablen abhängig.
Je nach dem, in welchem Kontext eine Person agiert (und damit: welche anderen Personen in diesem Kontext sind), kommen andere Seiten der Persönlichkeiten zum Vorschein. Genauso treten auch neue (ungeahnte) Talente und Stärken in den Vordergrund, von denen Sie und Ihr Unternehmen profitieren können (z.B. bei Innovations- oder Change-Projekten). Nutzen Sie diese Chance, indem Sie Kontexte schaffen, in denen Unlikely Friends nicht nur aufeinander treffen, sondern auch miteinander interagieren müssen (z.B. Workshopformate, Design Thinking). Vielleicht wird Ihr Unternehmen dann zu Monicas Wohnzimmer: Ein Safe Space für gemeinsames Wachstum.
Perspektiven wechseln: Jeder ist mal Führungskraft
Bei Friends gibt es nicht die eine Person, die immer weiß, was richtig und gut ist. Je nach Kontext und (Lebens-)Situation nehmen die Friends diese Rolle im Wechsel ein. Der sarkastische Werbefachmann Chandler kann für die spirituelle Masseuse Phoebe genauso inspirierend sein, wie umgekehrt. Echte Freunde schenken wertvolle Perspektiven von außen und neue Ideen. Sie geben Rat, ohne sich über ihre Freunde zu stellen. Führungskraft sein bedeutet aber auch, offen zu sein und sich eine Fragestellung aus der Perspektive der Mitarbeitenden anzusehen. Ihre Kolleg*innen sind die Fachexperten – Ihre Aufgabe ist es, den Überblick zu wahren! Den Überblick hat nur, wer viele Perspektiven kennt.
Darüber hinaus liefern uns die Friends viele weitere Gedankenanstöße: Wie die Bedeutung gemeinsamer Rituale (Thanksgiving-Folgen) oder des internen Wissenstransfers (Phoebe bringt Joey – leider mit wenig Erfolg – Französisch bei). Gehen Sie selbst auf die Suche nach Friends-Insights – es gibt so viele mehr zu entdecken (selbstredend auch in anderen Serien oder Filmen)!
Friends transportieren uns in eine andere Welt, eine Welt, in der alles kommt, wie es sein soll. Als Führungskraft haben Sie jeden Tag die Chance, die Welt Ihrer Kolleg*innen positiv zu gestalten.
Checkliste für Führungskräfte (und solche, die es werden wollen):
- Kann ich meine Botschaft in einem griffigen, relevanten sowie merkfähigen und -würdigen Satz (ohne Nebensatz) packen?
- Wie kann ich es ermöglichen, dass ich – trotz des Tagesgeschäftes – ausreichend Zeit finde, um aktiv das Gespräch mit meinen Kolleg*innen zu suchen?
- Weiß ich, welche (insbesondere beruflichen) Träume meine Teammitglieder verfolgen und wie ich sie dabei unterstützen kann?
- Welche Kontexte kann ich kreieren, um aus Teammitgliedern Unlikely Friends zu machen?
- Wie kann ich sicherstellen, dass die Teammitglieder in diesen Kontexten auch miteinander agieren, um die Dynamik von Unlikely Friends zu erzeugen?
- Sorge ich mich wirklich um meine Teammitglieder oder ist mein Handeln von Eigeninteressen geprägt?
- Wie kann es mir gelingen, meinen Kolleg*innen neue Perspektiven aufzuzeigen, ihre Perspektive einzunehmen und bei meinen Entscheidungen zu berücksichtigen?
- Haben Sie im Text unseren One-Liner entdeckt?
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